Weltweit sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen die führende Ursache für
Morbidität und frühzeitige Mortalität, verursachen den
größten Teil aller Gesundheitskosten und werden aufgrund der
demographischen Entwicklung weiter zunehmen. Eine aktuelle Mortalitäts-Statistik
westlicher Länder zeigt, daß Todesfälle an Myokardinfarkt
und Schlaganfall etwa so häufig sind wie die vier nächsthäufigen
Todesarten (Krebs, Lungenkrankheiten, Unfälle, Altersdemenz) zusammen
(The Lancet 2004; 363:1139-46). Anhand einiger Beispiele soll versucht
werden, die Spanne von dem bisher Erreichten, den Grenzen invasiver Therapieverfahren,
bis hin zu neuen Erkenntnissen aus der vaskulären Biologie und den
Möglichkeiten zur Prävention durch Ernährung und neue Medikamente
zu ziehen.
Verlauf der koronaren Herzkrankheit
Abb. 1
Wie entstehen Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Abbildung 1 zeigt oben Innenansichten
einer durch Atherosklerose veränderten Koronararterie mit zunehmender
Veränderung der Gefäßwand, von der Einwanderung einer
Entzündungs-Zelle in die Gefäßwand (A), bis zum vollständigen
thrombotischen Verschluß (D) einer Koronararterie. Zwischenstufen
zeigen die Einlagerung von Cholesterin in die Gefäßwand (B),
sowie Thrombozyten- und Makrophagen-Ansammlungen nach Plaque-Ruptur (C).
Der akute Herzinfarkt nach thrombotischem Verschluß eines Herzkranzgefäßes
ist sehr häufig die erste Manifestation dieser Erkrankung, da in
50 % der Fälle keine Vorsymptome auftreten. Immer noch sterben ca.
30-40 Prozent aller betroffenen Patienten außerhalb der Klinik.
Da bis zu 80% der akuten Herzinfarkt-Ereignisse im häuslichen Bereich
auftreten, ist die Aufklärung der Bevölkerung über das
richtige Verhalten der Betroffenen, nämlich die rasche Benachrichtigung
des Notfall-Rettungsdienstes bei akut einsetzenden Symptomen, einer der
Schlüssel zur effektiven Senkung der frühen Mortalität
nach akutem Herzinfarkt. Das diskutierte Aufstellen von Defibrillatoren
in öffentlichen Verkehrsbereichen zur Reduzierung des plötzlichen
Herztodes wird nach dem Gesagten nur einen kleinen Beitrag zur Senkung
der Frühsterblichkeit leisten können. Die in Kliniken mit hohem
Aufwand ablaufenden, invasiven Diagnose- und Reparatur-Verfahren, die
in dieser Phase der Erkrankung angewendet werden, setzen also zu einem
sehr späten Zeitpunkt ein. Sie kommen nur einem kleinen Teil der
betroffenen Patienten zugute.
Der technische Fortschritt der invasiven Kardiologie ist beträchtlich.
In den letzten 20–30 Jahren sind Verfahren wie Thrombolyse zur Auflösung
des Gefäß-verschließenden Thrombus, die Katheter-Aufdehnung
der Stenose (abgekürzt PTCA), die Einbringung einer Gefäßstütze,
eines sog. Stents, via Herzkatheter in die aufgedehnte Engstelle und auch
die Verwendung beschichteter, antithrombogener Stents zur Verhinderung
von Restenosen, die wesentlichen Entwicklungsschritte zu der heute als
optimal angesehenen Akut-Versorgung betroffener Patienten (Abbildung 2).
Abb. 2
Schon heute, mehr noch in der Zukunft, wird sich die Frage nach der flächendeckenden
logistischen Umsetzung und Bezahlbarkeit dieser sehr aufwendigen und teuren
Verfahren stellen. Aktuelle Forschungsprojekte sollen daher klären,
ob ein gestuftes Vorgehen zur Entlastung von Herzkatheterdiensten rund
um die Uhr und damit personeller und finanzieller Entlastung betroffener
Zentren bei gleichbleibender Qualität der Versorgung führen
kann (The Lancet 2004, 364:1014-15).
Bisherige Reduktion der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit
Der Höhepunkt der kardiovaskulären Mortalität liegt etwa
30-40 Jahre zurück. Erkenntnisse über Risikofaktoren und deren
mögliche Verhütung, die Entwicklung einer Handvoll sehr wirksamer
Medikamentenklassen und die zunehmende Aufklärung der Bevölkerung
haben zu einer bemerkenswerten Senkung der Sterblichkeit an Myokardinfarkt
und Schlaganfall in den letzten 20-30 Jahren geführt. Aktuelle Zusammenstellungen
von Daten zwischen 1981 und 2000 z. B. in England und Wales zeigen für
diesen Zeitraum eine Reduktion der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit um über
ein Drittel. Dieser Erfolg war nur zu 42% durch ärztliche Maßnahmen
bedingt, ein größerer Prozentsatz, nämlich 58% war durch
Prophylaxe und Risikofaktoren-Reduktion in der Allgemeinbevölkerung
begründet. Die erwähnten invasiven kardiologischen Maßnahmen
waren bei der Reduktion der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit mit einem Anteil
von 8% beteiligt (Circulation 2004; 109:1101-1107).
Ähnlich günstige Entwicklungen zeigen sich bei der Reduktion
der Schlaganfall-Häufigkeit. In dem gleichen Zeitraum (1980-2002)
kam es nämlich in der Altersgruppe der 55 - 85-jährigen Patienten
zu einer Abnahme an diesen schlimmen vaskulären “Katastrophen”
um etwa 35 - 50% (The Lancet 2004; 363:1925-33).
In den letzten 2-3 Jahrzehnten wurde also wirklich viel erreicht. Trotzdem
bleibt wegen der demographischen Entwicklung die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit
häufigste Todesursache in westlichen Ländern und weltweit.
Wohin wird sich die Forschung bewegen? Wie ist eine weitere Reduktion
von Morbidität und frühzeitiger Mortalität bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen
zu erreichen? Neue Erkenntnisse zu den biologischen Grundlagen der Gefäßregeneration,
zu medikamentösen Therapien und zu essentiellen Fettsäuren als
wichtigen funktionellen Nahrungskomponenten bei der Prophylaxe von Kreislauferkrankungen
sollen als Beispiele näher erläutert werden.
Zunächst zur vaskulären Biologie.
Vaskuläre Biologie und Gefäßregeneration
Abb. 3
Gefäßschädigungen, ausgelöst durch die bekannten
Risikofaktoren können offensichtlich nicht nur aus dem benachbarten
vaskulären Zellverband heraus regeneriert werden, sondern auch durch
zirkulierende Progenitorzellen, die aus dem Knochenmark stammen. Zwei
Forschungsansätze werden seit einigen Jahren intensiv verfolgt.
Zum einen die Infusion eigener Knochenmarks-Zellsuspensionen oder von
angereicherten sog. Progenitorzellen mit der Absicht, nach einem Myokardinfarkt
durch Regeneration des betroffenen Gefäßgebietes oder ausgefallener
Herzmuskulatur, die Spätfolgen, nämlich Pumpschwäche oder
möglichen Re-Infarkt, zu verhindern (Abbildung 3). Wegen nur geringer
Differenzierungsrate zu Herzmuskel-Zellen scheint derzeit die Herzmuskel-Regeneration
eher fraglich. Zu einer Gefäß-Neubildung und Gefäß-Reparatur
im Infarkt-Gebiet könnte das Verfahren jedoch durchaus beitragen.
Daneben wird die Anzüchtung vaskulären Gewebes aus isolierten
Knochenmarkszellen Erwachsener untersucht.
Zum anderen ist die Stimulation der Gefäßregeneration aus zirkulierenden
Zellen des Knochenmarkes vor Eintritt vaskulärer “Katastrophen”
vielleicht am interessantesten. Durch Wachstumsfaktoren (z.B. VEGF), bestimmte
Medikamente, die Statine, aber auch durch Sport oder Höhentraining
kann die Freisetzung von Progenitorzellen aus dem Knochenmark und deren
Anzahl in der Zirkulation gesteigert werden.
Abb. 4
Wie stellt der Organismus nun sicher, daß diese Vorläuferzellen
ausdifferenzieren und an die gewünschten Gefäßabschnitte
gelangen? Wir haben gefunden, daß hierfür ein ganz interessanter
Mechanismus verantwortlich sein könnte: Geschädigte Endothelzellen,
die den Beginn atherosklerotischer Prozesse charakterisieren, durchlaufen
beim Untergang einen geregelten Prozeß, die Apoptose (das ist der
sogenannte programmierte Zelltod). Dabei entstehen kleine Apoptosepartikel,
in denen wichtige zelluläre Inhaltsstoffe, z. B. DNA, Signalpeptide,
oder Membranbestandteile “verpackt” sind. Diese Partikel stellen
sozusagen eine Art “Recycling”-Mechanismus für absterbende
Zellen dar. In unserem Fall könnten sie von noch undifferenzierten
Endothel-Progenitorzellen, die im Kreislauf zirkulieren, aufgenommen werden.
Das Wachstum und die Differenzierung dieser Progenitorzellen zu reifen
Endothelzellen wird nach Aufnahme der Apoptosepartikel stimuliert (Abbildung
4; Blood 2004; 104, im Druck). Diese differenzierten Zellen könnten
dann durch entsprechende Oberflächenmoleküle, “molekulare
Adressen”, an die gewünschten (hier geschädigten) Stellen
des Gefäßsystems gelenkt werden.
Ziel ist es, die Anzahl und das Differenzierungspotential dieser Progenitorzellen
für die Regeneration des Gefäßsystems zu steigern und
die genaue “Adressierung” zu verbessern.
Ungesättigte n-3 Fettsäuren und Cholesterin-Synthese
in der Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Nun zu einer Forschungsrichtung, die sich mit essentiellen Fettsäuren
in der Nahrung und der Cholesterin-Synthese in unserem Körper befaßt.
Beide spielen für die Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
eine wichtige Rolle.
Abb. 5
Auf Abbildung 5 sind die vielfältigen Effekte von Cholesterin-Synthese
und Fettsäuren in unserer Nahrung auf Zellfunktionen gezeigt. Während
nämlich alle Proteine in unseren Zellen von unseren Genen strukturell
festgelegt sind, z. B. Enzyme, Rezeptoren, Ionenkanäle oder Signalpeptide,
modulieren sowohl unsere Cholesterin-Synthese als auch die essentiellen
Nahrungs-Fettsäuren, die wir selbst nicht synthetisieren können,
die Funktion dieser Proteine und die Membraneigenschaften aller Zellen.
So verstärken bestimmte hochungesättigte Fettsäuren sowohl
die Thrombusbildung, die Zellproliferation, als auch die Entzündungsreaktion.
Aspirin und andere entzündungshemmende Medikamente, wie z. B. Ibuprofen
oder Leukotrien-Syntheseblocker, wirken über Synthesehemmung von
Eikosanoiden aus Arachidonsäure, die aus bei uns vorherrschenden
n-6 ungesättigten Fettsäuren hervorgeht. Auf der anderen Seite
beeinflussen Vorläufermoleküle der Cholesterin-Synthese die
Aktivität vieler Proteine und somit zahlreiche Zellfunktionen, wie
z. B. die Zellproliferation.
Zunächst zu den essentiellen Fettsäuren. Bei Bewohnern Grönlands,
den Inuit, wurde vor ca. 40 Jahren eine überraschende Besonderheit
in der Lipidzusammensetzung der Zellen gefunden, nämlich ein sehr
hoher Anteil sogenannter n-3 Fettsäuren aus der maritimen Ernährung.
Trotz fettreicher Ernährung haben Inuit eine sehr niedrige Herzinfarktrate,
die mit n-3 Fettsäuren in Verbindung gebracht wurde.
Durch Supplementierung dieser n-3 Fettsäureklasse bei Europäern
oder Amerikanern konnten in der Folge auch von uns zahlreiche günstige
Effekte auf die Herz-Kreislauf-Funktion induziert werden (s. N Engl J
Med 1988, 318:549-57). Hierzu zählen verminderte Thromboseneigung,
Senkung des Blutdrucks, günstige Veränderungen des Lipidprofils
und antientzündliche Effekte sowie antiarrhythmische Wirkungen (Am
J Cardiol 1995, 76:974-77).
Seit einigen Jahren werden diese n-3 Fettsäuren aus Fisch nun von
den relevanten Fachgesellschaften als wichtige Nahrungsbestandteile zur
Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
empfohlen.
Abb. 6
Wie können diese zahlreichen günstigen Effekte von n-3 Fettsäuren
erklärt werden? Abbildung 6 zeigt den Biosynthese-Weg der zwei wichtigen
ungesättigten Fettsäure-Klassen, der n-6 essentiellen Fettsäuren
und der n-3 essentiellen Fettsäuren (P.C. Weber, GDNÄ, 1986;
114. Versamml. S187-194). Die enzymatische Umwandlung von n-6 zu n-3 Fettsäuren
ist nur im Pflanzenreich und im Phytoplankton möglich. In der maritimen
Nahrungskette erfolgt die Anreicherung der hochungesättigten, hochwirksamen
n-3-Fettsäuren, der Eikosapentaensäure und der Docosahexaensäure.
In unserer Nahrungskette sind diese n-3 Fettsäuren heute deutlich
unterrepräsentiert (Abbildung 7), wodurch ein funktionell gravierendes
Ungleichgewicht vorliegt. Unser Stoffwechsel dürfte jedoch evolutionär
auf ein ausgewogenes n-6 zu n-3 Fettsäure-Verhältnis in der
Nahrung optimiert worden sein (GDNÄ, 1986; 114. Versamml. S187-194).
Abb. 7
Die heutige Situation ist gekennzeichnet durch Überwiegen von n-6
Fettsäuren und Begünstigung zellulärer Prozesse, die eine
entscheidende Rolle bei chronisch entzündlichen, thrombotischen und
proliferativen Erkrankungen spielen. Dies ist die Folge industrieller
Nahrungsmittelproduktion mit Masttierhaltung und Fettsäure-Monotonie
mit Vorherrschen der n-6 Linolsäure in Nutzpflanzen, sowie von gesättigten
Fettsäuren (Abbildung 7). Dieses Ungleichgewicht wurde sogar unwissentlich
noch verstärkt, als ab den 70er Jahren mit der Absicht einer Cholesterinsenkung
Pflanzenöle und Margarinen mit hohem n-6 Fettsäure-Anteil (Linolsäure)
propagiert wurden. Erst in letzter Zeit setzen sich zunehmend Empfehlungen
zu einer ausgewogeneren, z. B. der mediterranen Ernährung durch,
die hoch an einfach ungesättigter Ölsäure ist, und mehr
n-3 Fettsäuren enthält.
Nach Aufklärung der günstigen biologischen Effekte von n-3 Fettsäuren
wurden zahlreiche Beobachtungs- und Interventionsstudien bei Patienten
mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen durchgeführt. Das Ergebnis der bislang
größten kontrollierten Interventionsstudie mit Gabe von n-3
Fettsäuren an ca. 11.000 Patienten zeigte eine um 40% reduzierte
kardiovaskuläre Mortalität nach n-3 Fettsäure-Supplementierung
(The Lancet 1999; 354:447-55).
Als wesentlicher Mechanismus der reduzierten Herzinfarkt-Sterblichkeit
in dieser Studie wurde zusätzlich zu den schon bekannten antithrombotischen,
antiproliferativen, Blutdruck-senkenden und Lipid-modulierenden Wirkungen
ein hemmender Effekt von n-3 Fettsäuren auf gefährliche Herz-Arrhythmien,
die bei akutem Herzinfarkt oft zum plötzlichen Herztod führen,
vermutet.
Wir konnten kürzlich in einer Pilotstudie an Patienten mit einem
hohen Risiko für tödliche Herzrhythmusstörungen den direkten
antiarrhythmischen Effekt von n-3 Fettsäuren nachweisen (Abbildung
8). Mittlerweile wurden diese Ergebnisse in zwei ähnlichen Studien
bestätigt. Dies deutet die Möglichkeit zur primären Prophylaxe
oft tödlich verlaufender Herzrhythmus-Störungen bei akuten Herzinfarkten
mit n-3 Fettsäuren an.
Abb. 8
Welche n-3 Fettsäure-reichen Nahrungsmittel?
Sollten sich die berechtigten Erwartungen in die günstigen Effekte
dieser essentiellen n-3 Fettsäuren, die von einem plausiblen biologischen
Konzept gestützt sind, erfüllen, ist abzusehen, daß es
schwierig sein wird, bei erhöhter Nachfrage diese wertvollen, aber
relativ seltenen n-3 Fettsäuren in ausreichender Menge zur Verfügung
zu stellen. Trotz der schon heute stattfindenden Überfischung der
Weltmeere können sie wohl nicht auf herkömmliche Weise aus maritimen
Nahrungsquellen für die Weltbevölkerung generiert werden. Neue
Forschungsrichtungen könnten hier jedoch einen Ausweg zeigen.
Einer Forschergruppe in Boston ist es letztes Jahr gelungen, ein Gen,
das fat-1-Gen, aus einem Avertebraten in das Genom eines Säugetiers,
hier einer Maus, einzuschleusen und so eine transgene Maus zu züchten.
Dieses fat-1-Gen kodiert ein 3-Desaturase-Enzym, ganz ähnlich wie
es in der maritimen Nahrungskette vorkommt, wodurch ein Säugetier
erstmals in die Lage versetzt wird, hochungesättigte n-3 Fettsäuren
zu synthetisieren. Das deutlich veränderte Verhältnis von n-6
zu n-3 Fettsäuren in verschiedenen Organen des transgenen Tieres
mit Abnahme des n-6:n-3 Fettsäurequotienten wegen Zunahme der gewünschten
n-3 Fettsäuren ist beeindruckend (Abbildung 9).
Abb. 9
Werden wir also in Zukunft entsprechende transgene Nutztiere züchten
können, oder wollen, um ausreichende Mengen an n-3 Fettsäuren
zu generieren? Die Diskussion hierüber wird sicher kontrovers sein.
Etwa gleichzeitig zu diesen Untersuchungen an Tieren wurden von einer
deutschen Arbeitsgruppe in Hamburg transgene Rapspflanzen durch Einschleusen
von n-3-Desaturase-Genen aus Phytoplankton in die Lage versetzt, hochungesättigte
n-3 Fettsäuren zu produzieren (Plant Cell 2004, 16:2734-48). Wie
man kürzlich nachlesen konnte, werden diese Wissenschaftler wegen
gesetzlicher Vorgaben die jetzt anstehenden Freilandversuche mit diesen
Rapspflanzen möglicherweise wohl im Ausland fortsetzen. Soviel zu
den n-3 Fettsäuren als funktionell bedeutende Komponenten in unserer
Nahrung. Sie könnten in unserer Bevölkerung derzeit noch über
eine ausgewogene Ernährung mit ausreichendem Fischverzehr sichergestellt
werden.
Hemmung der Cholesterin-Synthese
Auch die Cholesterinbiosynthese moduliert zahlreiche Zellfunktionen (siehe
Abbildung 5). Nach Aufklärung des Cholesterinmetabolismus durch Brown
und Goldstein in den 80er Jahren wurden vor ca. 15 Jahren potente Hemmstoffe
der Cholesterin-Biosynthese, ursprünglich in Flechten, entdeckt.
Sie liegen heute als Statine in synthetischer Form vor. Als Medikamente
hemmen sie die Biosynthese von Cholesterin auf einer sehr frühen
Stufe durch Blockade der HMG-CoA-Reduktase. Daher werden durch Statine
auch alle Cholesterinvorstufen-Moleküle reduziert, die durch posttranslationale
Modifikation zahlreicher Proteine viele Zellfunktionen steuern.
Nach der Einführung von Statinen zur Hemmung der Cholesterinsyntese
haben sich ähnlich wie nach der Entdeckung der Wirkungen von n-3
Fettsäuren noch nicht absehbare Effekte auf verschiedenartige zelluläre
Prozesse und Erkrankungsbilder gezeigt. Initial hatte man nur die Senkung
der Blutcholesterin-Spiegel zur Senkung des Herz-Kreislauf-Risikos im
Auge. Allerdings dürften für die nachgewiesene Senkung der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit
nach Gabe von Statinen neben der Cholesterinsenkung auch zahlreiche Effekte
auf Zellen des Gefäßsystems mit Verminderung von Zelladhäsions-
und Entzündungsprozessen sowie verminderter Proliferation von atherosklerotischen
Plaques verantwortlich sein (Abbildung 10).
Abb. 10
Beobachtungen der letzten Jahre aus ganz verschiedenen Bereichen der
Medizin deuten darüber hinaus an, daß Statine weitere klinisch
relevante Effekte haben könnten. So z. B. auf die Zahl und die Freisetzung
vaskulärer Progenitorzellen aus dem Knochenmark, oder auf Vorgänge
in der Netzhaut des Auges, die zur Altersblindheit, der sogenannten senilen
Makuladegeneration, führen, oder vielleicht sogar bei der Verzögerung
der Altersdemenz. Diese Beobachtungen deuten auf tieferliegende, noch
unzureichend verstandene, gemeinsame zelluläre Pathomechanismen bei
diesen scheinbar so unterschiedlichen und in unserer Bevölkerung
vorherrschenden Erkrankungen hin.
Präventionsmöglichkeiten durch Modulation unseres genetischen
„Make-up“
Nach dem Gesagten über wichtige peristatische Faktoren in der Ernährung
mit ihren Auswirkungen auf zahlreiche Zellfunktionen verwundert es nicht,
daß über eine “Konvergenz” der Pathogenese und somit der Präventionsmöglichkeiten von Atherosklerose, dem biologischen Substrat der Herz-Kreislauf-Erkrankungen und z. B. der senilen Demenzerkrankung, ja sogar von manchen Tumorerkrankungen nachgedacht wird. Klinische Studien sowie Tierexperimente belegen, daß ähnliche Risikofaktoren für diese Erkrankungen gelten und, daß Interventionen, die medikamentös oder nutritiv bei der Prophylaxe von Herz-Kreislauf-Erkrankungen propagiert und eingesetzt werden, auch einen prophylaktischen Nutzen bei der Entstehung der Altersdemenz oder von Tumorerkrankungen haben könnten (The Lancet 2004, 363:1139-46; Nature 2004, 430:631-39).
Kürzlich wurde von dem renommierten Population Health Research Institute,
Hamilton, Canada, an ca. 15.000 Patienten und 15.000 Kontrollpersonen
in 52 Ländern erneut nachgewiesen, daß ca. 90% des Risikos
für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung in unserem Lebensstil, vor allen
Dingen der Ernährung, dem Rauchen, der physikalischen Aktivität,
dem Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Übergewicht und Distress, begründet
sind (The Lancet 2004; 364:937-52). Dies gilt für alle ethnischen
Gruppen, alle Altersklassen und für Männer und Frauen gleichermaßen.
Durch Aufklärung und Anwendung des heute gesicherten Wissens sowie
Vertiefung der angeschnittenen Forschungsrichtungen sollte es daher möglich
sein, 70-80% vorzeitiger Morbidität und Mortalität an diesen
Erkrankungen zu verhindern. Die Zukunft läßt sehr spannende
Jahre für die Forschung auf diesen Gebieten erwarten.
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